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MEDICUS

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APOTHEKERKAMMER WESTFALEN-LIPPE.

„Die Apothekerschaft hat intensiv diskutiert, wie sie diesen

Anforderungen begegnen und welchen Beitrag sie zur Zu-

kunftsfähigkeit der Gesundheitsversorgung leisten kann“,

sagt Peter Schöning, Kreisvertrauensapotheker im Kreis Stein-

furt. Neu an diesem Diskussionsprozess war zweierlei: Erstens

war er begleitet von einer tiefgehenden Reflexion des eige-

nen Selbstverständnisses. Zweitens wurde er in einem auf-

wändigen basisdemokratischen Verfahren organisiert. Ein

Jahr lang wurde „bottom up“ über Online-Befragungen,

Länder-Arbeitsgruppen, einem bundesweiten Konvent und

die öffentliche, webbasierte Kommentierung von Textent-

würfen an einem Perspektivpapier gearbeitet. Am Ende des

Prozesses, an dem sich über viertausend Apotheker in ganz

Deutschland beteiligt haben, stand das Perspektivpapier

„Apotheke 2030 – Perspektiven der pharmazeutischen Ver-

sorgung in Deutschland“, das auf dem Deutschen Apothe-

kertag im September 2014 in München mit überwältigender

Mehrheit verabschiedet wurde. Die zentralen Botschaften

der programmatischen Ausrichtung lauten:

Apotheker wollen sich, bei aller Anerkenntnis der ökonomi-

schen Erfordernisse des Apothekenbetriebs, als die Exper-

ten für Arzneimittel auf ihr heilberufliches Profil konzent-

rieren.

Der Patient und seine evidenzbasierte Beratung zum Arz-

neimittel stehen im Mittelpunkt der Arbeit in der Apothe-

ke. Langfristiges Ziel ist eine maximal sichere und effiziente

Arzneimitteltherapie.

Der Weg dorthin soll über die Einführung eines systemati-

schen, individuellen Medikationsmanagements führen, bei

dem die Gesamtmedikation eines Patienten sauber erfasst,

analysiert, auf Risiken überprüft, nötigenfalls nachgesteuert

und dauerhaft begleitet wird.

Umgesetzt werden soll dieses Medikationsmanagement in

einem heilberuflichen Netzwerk mit klar definierten Zustän-

digkeiten und Schnittstellen sowie solider Datengrundlage.

Das Perspektivpapier wurde von Politik, Medien und Fachöf-

fentlichkeit fast durchweg positiv aufgenommen, zumal es

ein zentrales Problem der Gesundheitsversorgung adressiert:

„Rund sieben Millionen Menschen in Deutschland brauchen

schon heute dauerhaft fünf oder mehr verschiedene Arz-

Warum Ärzte und Apotheker noch

intensiver kooperieren sollten

Unsere Gesellschaft verändert sich. Die Urbanisierung nimmt zu, Lebensstile werden differenzierter und die

Altersstruktur der Bevölkerung verschiebt sich. Diese Veränderungen haben Einfluss auf alle Bereiche der Gesell-

schaft – auch und gerade auf die Gesundheitsversorgung. Die Zahl älterer Menschen wächst und mit ihnen die

Zahl derer, die multimorbide sind und mit oft dauerhafter Polymedikation leben.

neimittel“, so Schöning. „Zum Teil werden die Präparate von

verschiedenen Ärzten verschrieben. Zum Teil kombiniert der

Patient verschriebene und selbst gekaufte Medikamente. Oft

genug weiß er über Wechselwirkungen zwischen den Wirk-

stoffen ebenso wenig Bescheid, wie über Wechselwirkungen

zwischen seinen Arzneimitteln und Nahrungsmitteln.“ Oft

genug werden Medikamente unregelmäßig, zum ungünsti-

gen Zeitpunkt, falsch dosiert oder gar nicht eingenommen.

Die potenziellen Folgen sind klar: „Wirksamkeit und Sicherheit

der Arzneimitteltherapie werden eingeschränkt, die Betrof-

fenen verlieren an Lebensqualität und riskieren medizinische

Krisen, GKV-Mittel werden nicht optimal alloziert.“

Aus dieser Problemlage wurde das Pilotprojekt ARMIN (Arz-

neimittelinitiative Sachsen-Thüringen) geboren, bei dem

Ärzte und Apotheker auf regionaler Ebene wertvolle Erfah-

rungen für die Einführung eines systematischen Medikations-

managements sammeln. Die Initiative setzt auf das vor Ort

ohnehin schon oft geübte Miteinander von Arzt und Apothe-

ker in der Patientenbetreuung auf.

Gleichwohl ist das apothekerliche Grundsatzpapier mit seiner

Forderung nach Medikationsmanagement und fachübergrei-

fender Vernetzung der Heilberufe von der verfassten Ärzte-

schaft bislang eher zurückhaltend aufgenommen worden.

Die Apothekerschaft möchte dieser Skepsis begegnen und

möglichen Missverständnissen vorbeugen. Drei Dinge müs-

sen unmissverständlich klar sein:

Apotheken wollen und werden nicht in das Kompetenzfeld

des Arztes eindringen oder seine Therapiehoheit infrage

stellen.

Medikationsmanagement kann und wird nicht konfrontativ,

sondern nur im kollegialen Miteinander von Arzt und Apo-

theker umsetzbar sein.

Es sollen keine neuen Verteilungskonflikte im GKV-System

ausgelöst werden, wenn die Frage nach einer Vergütung

von Medikationsmanagement im Raum steht.

Vielmehr geht es der Apothekerschaft darum, über ge-

meinsame Anstrengungen die Qualität der Arzneimittel-

versorgung für die Patienten zu verbessern. Es geht darum,