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VR
MEDICUS
VERSORGUNGSMODELLE.
Die familiäre Betreuung älterer Menschen ist durch den
Geburtenrückgang in Kombination mit der Steigerung der
Einpersonenhaushalte in naher Zukunft nicht mehr gewähr-
leistet. Die Korrelation zwischen Alter und Krankheit wirkt
sich zunehmend auch auf die Pflegebedürftigkeit aus. In
diesem Zusammenhang ist einerseits über eine ausreichen-
de Vorhaltung von Pflegeplätzen und andererseits über die
Sicherstellung einer adäquaten medizinischen Versorgung
nachzudenken.
Die Komplexität der Versorgungsstrukturen erschwert eine
systemische Lösung. Die Probleme der sektorenübergrei-
fenden Gesundheitsversorgung, der Kommunikation und
Kooperation zwischen den verschiedenen Berufsgruppen
und der Arzneimitteltherapiesicherheit bei multimorbiden
Patienten sind Gegenstand der öffentlichen und fachlichen
Diskussion und zum Teil auch regulatorischer Maßnahmen
1, 2
.
Obwohl hierbei regelmäßig auf die zentrale Bedeutung von
Kommunikation, Kooperation und Interdisziplinarität hinge-
wiesen wird
3
, sind die meisten bekannt gewordenen Um-
setzungsversuche bislang stark von der jeweiligen fachgrup-
penspezifischen Perspektive geprägt. Beispiele hierfür sind
die Modellvorhaben zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten
auf Angehörige der Alten- und Krankenpflege
4
, die Defini-
tion des Medikationsmanagements als „pharmazeutische
Tätigkeit“ in der Apothekenbetriebsordnung
5
und die paral-
lele Leitlinienentwicklung für Ärzte und Apotheker. Hier sind
besonders die Leitlinie zur Versorgung der Bewohner von
Heimen der Bundesapothekerkammer (BAK)
6
, die Hausärztli-
che Leitlinie Multimedikation der Deutschen Gesellschaft für
Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM)
7
und die krank-
heitsbildbezogenen Leitlinien der Bundesärztekammer (BÄK)
zu nennen. Der Einsatz von Leitlinien und Expertenstandards
trägt zur Sicherheit und Qualität der Einzelprozesse inner-
halb der beteiligten Organisationen bei. Die Vernetzung der
Teilprozesse zwischen den Professionen/Organisationen ist
jedoch nicht im selben Maße entwickelt, gleichwohl sie von
elementarer Bedeutung für die Lebens-, Arbeits- und die Pro-
zessqualität ist.
Pilotprojekt zur Arzneimitteltherapie in Alten-
und Pflegeeinrichtungen
Die sichere Arzneimittelversorgung von älteren, multimorbiden und multipharmazierten Patienten in stationären
Pflegeeinrichtungen ist ein komplexer, risikobehafteter Prozess, an dem zahlreiche Akteure aus unterschiedlichen
Professionen und Sektoren des Gesundheitswesens beteiligt sind. Die Analyse und Optimierung dieses interdiszi-
plinären Wertschöpfungsnetzes als Grundlage der Arzneimitteltherapiesicherheit ist Gegenstand eines aktuellen
Pilotprojektes.
Am Beispiel der Arzneimitteltherapie für Patienten in der
stationären Langzeitpflege können diese Defizite belegt
werden. Im Unterschied zum Krankenhaus arbeiten die Leis-
tungserbringer für die Arzneimittelversorgung der Patienten
in der stationären Langzeitpflege, insbesondere Haus- und
Fachärzte, Apotheker und Pflegefachkräfte, nicht in einem
geschlossenen System unter einheitlicher Leitung arbeitsteilig
zusammen. Ihr Zusammenwirken zum Wohle des Patienten
beruht aufgrund vielfältiger gesetzlicher und vertraglicher
Beziehungen vielmehr auf der unstrukturierten Selbstab-
stimmung der Teilnehmer untereinander. Damit spiegelt die
Arzneimittelversorgung in einer Pflegeeinrichtung einerseits
die individuell gewachsenen Strukturen der ambulanten Ge-
sundheitsversorgung von Patienten durch niedergelassene
Ärzte und Apotheker wider, andererseits sind diese indivi-
duellen Versorgungsinstrumente in die übergreifenden und
tendenziell statischeren Organisationsstrukturen der statio-
nären Pflegeeinrichtung eingebettet (Abb. 1).
Hinzu kommen noch Angehörige, amtliche Betreuer, Sozi-
alarbeiter oder Case Manager, die ebenfalls Einfluss auf die
Versorgung haben können, während der Patient alters- oder
krankheitsbedingt oft die Fähigkeit eingebüßt hat, selbst
über seine Versorgung zu wachen (Abb. 2). Die Schnittstel-
len, die in der Zusammenarbeit in diesem Dienstleistungsnetz
zu überwinden sind, bergen Gefahren für die Sicherheit der
Arzneimitteltherapie, die z. B. auf Informationsverlusten ba-
Abb. 1 – Beziehungsgeflecht zwischen Arzt – Apo-
theker – Pflegeeinrichtung – Bewohner/Patient
Quelle: Kortekamp, Stefanie (Eigene Darstellung)
Externe Kundenbeziehung:
Gesundheitsdienstleistung
Externe Kundenbeziehung:
Kommunikation und Logistik
Interne Kundenbeziehung:
Gesundheitsdienstleistung
Pflegeeinrichtung
Bewohner/
Patient
Apotheke
Arzt